Ganze fünf Mal (!) hat die Orgel der Lutherkirche zu Leer/Ostfriesland ihre Gestalt geändert: Das ursprünglich von keinem Geringeren als Arp Schnitger im Jahr 1714 erbaute Instrument wurde erstmals 1795 modifiziert und durch einen Neubau mit einem klassischen Werk den neuen Begehrlichkeiten des ausgehenden 18. Jahrhunderts, d.h. den Erfordernissen des galanten, empfindsamen Stils angepasst. Erhalten ist davon bis heute lediglich der Orgelprospekt. 1911 wurde in das unverändert belassene Gehäuse erneut ein anderes, dieses Mal romantisches Werk eingebaut, bevor zwischen 1964 und 1966 der vierte Neubau stattfand, bei dem wiederum ein neobarockes Werk eingesetzt wurde. 2002 schließlich wurde durch die ortsansässige Firma Ahrend der fünfte Neubau abgeschlossen, der sich mit einem spätbarock-klassischen Klangtimbre unter dem Gesichtspunkt stilistischer Einheitlichkeit wieder am nach wie vor barocken Äußeren orientierte.
Vorgestellt wird die Orgel in ihrer jetzigen Form von KMD Joachim Gehrold, der eingangs Historisches über Kirche und Instrument erzählt. Im weiteren Verlauf spielt er zunächst Werke der Norddeutschen Schule, bevor er über Bach – von ihm erklingen zwei der sechs so genannten ‚Schübler-Choräle’ – und Mendelssohn bis hin zu dem Niederländer Jan Zwart (1877–1937) gelangt. Dabei wählt Gehrold mit Bedacht aus der breit gefächerten Palette der insgesamt 39 klingenden Register und malt die einzelnen Stücke in erlesenen Farben aus, die stimmlicher Transparenz ebenso Rechnung tragen wie imposanten klanglichen Impressionen. Kurze einführende Erläuterungen zu Komponist und Komposition tragen jeweils zu einem besseren Werkverständnis bei.
Das Bonusmaterial enthält ein großartiges Feature über Aufbau und Funktionsweise der Orgel. Joachim Gehrold nimmt den Zuschauer mit auf eine spannende Führung um das Instrument herum bis hinein in dessen Inneres und erklärt die mechanischen, baulichen und physikalischen Zusammenhänge so anschaulich, dass in puncto Instrumentenbau keine Fragen offen bleiben. Ein weiteres Kapitel stellt noch einmal gesondert einzelne Register und Klangfamilien dar. Freilich: Zielgruppe der genannten Features sind nicht unbedingt diejenigen, die von Haus aus ohnehin schon Experten und eingefleischte Orgelfans sind. Gerade für alle, die mit dem Interieur einer Orgel Neuland betreten, sind sie aber desto wertvoller und lehrreicher. Unterlegt ist der Film mit schönen Bildern aus dem kleinen, aber feinen Kircheninneren. Das simple Fazit: Eine gewohnt gelungene Produktion aus dem FAGOTT-Orgelverlag unter der bewährten Regie von Johannes Eckelmann.
Thomas Gehrig (klassik.com), 21.09.2009