Die zweite Folge der verdienstvollen DVD-Reihe ‘orgeln audiovisuell’, mit der vom am Bodensee beheimateten Orgelverlage FAGOTT ein recht neues Themensegment aufgestoßen wurde, bietet das bewährte Konzept mit wenigen Änderungen. Um die Reihe für den internationalen Markt fit zu machen, ist das Booklet nun zweisprachig (deutsch und englisch) gehalten und die Filme wurden mit ‘ englischen Untertiteln ausgestattet. Schon in der ersten Folge mit der Sonnenorgel in Görlitz wurden die Möglichkeiten aufgezeigt, wie das zumindest äußerlich statische Groß-Instrument ‘Orgel’ in bewegte Bilder umzusetzen ist. Für Buch, Kamera, Schnitt & Authoring zeichnet wieder Johannes Eckelmann verantwortlich. Die vorliegen Ausgabe ist keineswegs als Fortsetzung der ersten gedacht, vielmehr portraitiert sie ein weiteres Mal im Sinne einer audiovisuellen Monographie eine spezielle historische Orgel, hier ist es die Huss/Schnitger-Orgel in Stade.
Beibehalten wurde das Verfahren, nicht einen gewöhnlichen Dokumentarfilm zu drehen – was mangels ‘Masse’ für den Orgelfreund bereits interessant gewesen wäre -, sondern die interaktiven Möglichkeiten einer DVD zu nutzen. Der insgesamt 60-minütige Film bietet neben visuellen Impressionen von der Orgel und dem Kirchenraum umfangreiche Informationen zu Geschichte und Besonderheiten der Orgel. Mittels Bildern und Texten werden Einblicke versprochen, die sonst dem Besucher verborgen blieben und dem Orgelfreund detaillierte Fachauskünfte geben. So sind Beiträge zur Geschichte der Orgel, zu den aufgeführten Orgelwerken, der Funktionsweise der Orgel, den technischen Daten der Orgel und dem Organisten enthalten. Als Bonus gibt es Filme mit Erläuterungen zum Kirchenraum, dem Glockengeläut und dem Stader Umfeld.
Komfortabel bleibt das DVD-Menü durch die Möglichkeit, Informationen gezielt auszuwählen und relevante Daten auf einem Blick zur Verfügung zu haben. Der Nachtteil vor allem für ‘Einsteiger’, die Zusammenhänge selbst herstellen zu müssen, ist gegenüber dem Vorgänger durch geschickte Einflechtung der Entstehungsgeschichte in den Hauptfilm besser gelöst worden.
Bedeutendes Barockinstrument
Nach dem großen Stadtbrand von 1659 erhielt die wiedererrichtete Kirche Ss. Cosmae et Damiani im Jahr 1675 eine neue Orgel mit 42 Registern, die der renommierte Orgelbauer Berendt Huß unter Mitwirkung seines später berühmten Neffen Arp Schnitger schuf. Im Laufe der Jahrhunderte mehrfach verändert, wurde die Orgel zu ihrem 300. Geburtstag 1975 durch den Orgelbauer Jürgen Ahrend (Leer/Ostfriesland) auf den Zustand von 1688 zurückgeführt und 1994 abermals einer Revision unterzogen.
Lebendiger Originalklang
Die Orgelstücke – ergänzt durch Impressionen aus dem Innen- und Außenbereich des Instrumentes und der Kirche – werden vom Bremer Hochschuldozenten und Hausorganisten Martin Böcker vorzüglich gespielt. Sein Spiel lässt keine Wünsche offen: als ausgewiesener Kenner norddeutscher Barockmusik präsentiert er die sechs Stücke von Bernhard Schmid d. Ä. bis Johann Sebastian Bach äußerst vorteilhaft in angemessenen Tempi, mit differenzierter Artikulation und stilsicheren Verzierungen. So macht ‘alte’ Orgelmusik Freude! Natürlich kennt er sein Instrument bestens, was sich in abwechslungsreichen Registrierungen und kurzweiligen wie sympathischen Erläuterungen zeigt: Besser kann man seine Sache nicht vertreten.
Das Booklet verzeichnet noch einmal eine Kurzgeschichte der Orgel und die vollständige aktuelle Disposition. Zwischenzeitlich wurde von Stereo- auf Dolby digital 5.1-Klang aufgerüstet, wobei die unmittelbare Präsenz ebenso erhalten blieb wie das natürliche Raumgefühl. Auch die Bildqualität (im Bildformat 4:3) bewegt sich wieder auf größtenteils professionellen Niveau, genauso wie Regie und Schnitt, dem spürbar ein Stück nach vorne in der Zusammenstellung der Bilder gelungen ist.
Für den primär am Repertoire Interessierten ist die DVD zwar keine Alternative zu einer ‘echten’ CD-Produktion; als Geschenk oder Erweiterung der eigenen Sammlung aber bestens geeignet: näher kommt man der Orgel nur, wenn man hinfährt.